LA LOI NORMALE DES ERREURS (DAS NORMALE GESETZ DER FEHLER)
17.2. BIS 26.5.24
Der Künstler Raphaël Denis (lebt und arbeitet in Paris) forscht zu den Enteignungen von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten aus jüdischem Eigentum in Frankreich. Bei den Vorbereitungen für seine Installation „Les transactions Göring-Rochlitz“ – derzeit im Kunsthaus Zürich als Teil der Präsentation der Sammlung Bührle – konnte Denis ein enteignetes Gemälde aus der Sammlung der Landeshauptstadt Hannover identifizieren, das heute im Sprengel Museum Hannover aufbewahrt wird. Dieses Gemälde, bezeichnet als „Modigliani, Portrait de femme“ und auf Dokumenten mit der Signatur „MGM1“ versehen.
Denis untersucht die abgewickelten Tauschgeschäfte zwischen Hermann Göring (1893–1946) und dem deutschen Kunsthändler Gustav Rochlitz (1889–1972). Der „Tête de femme“ von Modigliani war Teil dieser Tauschgeschäfte. 1941 war das Gemälde in der Wohnung des jüdischen Schriftstellers, Journalisten und Künstlers Michel Georges-Michel (1883–1985) beschlagnahmt worden.
Die Installation im Sprengel Museum Hannover veranschaulicht detailgetreu die Anzahl der bisher recherchierbaren getauschten Kunstwerke. Zu diesen Tauschgeschäften zählen auch beschlagnahmte Gemälde des französischen Impressionismus aus der Sammlung des jüdischen Galeristen und Sammlers Paul Rosenberg (1881–1951), der besonders Pablo Picasso (1881–1973) förderte.
Kuratorin: Annette Baumann, Provenienzforschung zum Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover
ZUM HINTERGRUNG
PROVENIENZFORSCHUNG
Der Kulturausschuss der Landeshauptstadt Hannover hat am 26. Januar 2024 einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, das Gemälde „Tête de femme“ von Amedeo Modigliani (Umkreis) zu an die Erbengemeinschaft des jüdischen Schriftstellers, Journalisten und Künstlers Michel Georges Michel (1883–1985) zu restituieren. Das Werk wurde 1941 in Paris beschlagnahmt und wird nun – nachdem es noch einmal im Sprengel Museum Hannover gezeigt wird – zurückgegeben. Eine Installation des Künstlers Raphaël Denis, der in seinen Arbeiten die Enteignung von jüdischen Sammler*innen, Künstler*innen und Händler*innen in Frankreich während der NS-Besatzungszeit thematisiert und eine entscheidende Spur im Fall des Modiglianis ausfindig machen konnte, bietet den Rahmen für die Präsentation.
Das Gemälde „Tête de femme“ wurde 1949 im Auftrag der Stadt Hannover aus Herkunft des Juristen und Immobilienmaklers Dr. Conrad Doebbeke aus Berlin in einem Konvolut von 115 Werken des deutschen Impressionismus und Expressionismus erworben
Dr. Annette Baumann forscht im Auftrag der Landeshauptstadt Hannover seit 2009 zur Provenienz der städtischen Kunstsammlung. Durch das Auffinden einiger Fotos des Gemäldes im Zentralarchiv für Kunstgeschichte München und den Archives de la Récupération artistique beim Auswärtigen Amt in Paris sowie ergänzend weiteren Quellen konnte nun geklärt werden, dass der Frauenkopf durch die NSDAP, den „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ 1941 in den Privaträumen des jüdischen Schriftstellers, Journalisten und Malers Michel Georges-Michel beschlagnahmt wurde. Danach gelangte es an Hermann Göring und im Tausch an den deutschen Kunsthändler Gustav Rochlitz.
2020 übermittelte die CIVS (Commission pour l'indemnisation des victimes de spoliations intervenues du fait des législations antisémites en vigueur pendant l'Occupation) unter David Zivie in Paris den Hinweis auf die in Paris erhaltenen Archivalien und unterstützte die Recherchen zu vormaligen Eigentumsverhältnissen des fraglichen Gemäldes. Der Künstler Raphaël Denis war den Fotografien bei den Recherchen zu seiner künstlerischen Arbeit, in welcher er die Tauschgeschäfte zwischen Göring und Rochlitz untersucht, auf die Spur gekommen. Zu Beginn der 1960er Jahre wurde die Urheberschaft Modiglianis am Gemälde durch italienische Kunsthistoriker in Zweifel gezogen. Die Frage der Echtheit ist bis heute nicht abschließend geklärt. Im Juni 2023 stellte das französische Kulturministerium einen offiziellen Antrag auf Restitution.
Der Kulturausschuss der Landeshauptstadt Hannover hat am 26.1.2024 einstimmig eine Empfehlung zur Restitution ausgesprochen. Nach Abschluss der Präsentation im Sprengel Museum Hannover wird das Gemäldes an die Erbengemeinschaft des Michel Georges Michel (1883–1985) überführt.
Mit herzlichem Dank an David Zivie und das Team des Französischen Kulturministeriums (Mission de recherche et de restitution des biens culturels spoliés entre 1933 et 1945)
Eröffnung
Freitag, 16.2.24, 19.00 Uhr